Nach zwei Jahren Volksentscheid Fahrrad: Das Radgesetz für Berlin ist (fast) da!

Von | 25. Dezember 2017

Der Volksentscheid Fahrrad hat gerade erst seinen zweiten Geburtstag gefeiert. Am 11. Dezember 2015 ging er erstmals in die Öffentlichkeit, einige Tage später wurde ein goldenes Fahrrad mit den 10 Zielen am Roten Rathaus aufgestellt. Irgendwann in diesen Tage wurde zum ersten Mal das Wort ausgesprochen, das die Berliner Verkehrspolitik prägen und nachhaltig verändern sollte: Radgesetz. Fast auf den Tag genau zwei Jahre später hat der Berliner Senat in erster Lesung das Mobilitätsgesetz für Berlin verabschiedet. Essenzieller Bestandteil: Ein Abschnitt zum Radverkehr und damit das erste Radgesetz Deutschlands. Noch muss das Abgeordnetenhaus abschließend darüber befinden – voraussichtlich im ersten Quartal 2018. Es ist dennoch Zeit für eine erste Zwischenbilanz: Wie bewerten wir die Inhalte des Entwurfs und das, was wir miteinander erreicht haben?

In den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester 2015 reagierte der damalige Verkehrssenator Geisel in der Berliner Morgenpost auf unsere Ziele. Stolz berichtete er, dass Berlin schon 14 Mio. Euro pro Jahr für die Verbesserung der Radinfrastruktur ausgebe. Eine Summe, die sich tatsächlich durch akribische Absuche des Haushaltsplanes finden ließ. Eine Summe, die 3,80 Euro pro Kopf der Berliner Bevölkerung ausmacht – der Preis eines einzigen Weizenbiers.

Heute – zwei Jahre später – würde sich weder Andreas Geisel, ja noch nicht einmal die Opposition im Abgeordnetenhaus hinstellen und behaupten, dass diese Summe ausreichend sei. In den vergangenen beiden Jahren haben wir erreicht, dass über angemessene Summen für den Ausbau des Radverkehrs gesprochen wird und diese auch am 14. Dezember 2017 im Berliner Haushalt 2018/2019 verankert wurden – fast 100 Mio. Euro in den kommenden beiden Jahren. Auch wenn wir der Auffassung sind, dass man da durchaus noch einen Sack Geld drauflegen könnte, um auch nachzuholen, was in vielen Jahren zuvor verpasst wurde, so ist dennoch klar, dass der Volksentscheid ausschlaggebend war, dass die Mittel mehr als verdreifacht werden. Die Verwaltung wird personell ebenfalls aufgestockt werden, um dieses Geld sinnvoll in Radwege umzuwandeln.

Der Entwurf des Mobilitätsgesetzes ist inhaltlich gut. Nahezu alle Ziele des Volksentscheids finden sich in ihm wieder – wenn auch teilweise mit leichten Abstrichen. Der Ausbau der Radwege an den Hauptstraßen ist einer dieser Punkte. Radwege, die Bedingungen bieten, welche es auch denjenigen einfach machen, aufs Rad umzusteigen, die sich bislang nicht trauen. Radwege, die getrennt vom Autoverkehr verlaufen und auf denen Eltern ihre Kinder fahren lassen – denn die Kinder von heute sind die erwachsenen Stadtbewohner*innen von morgen. Die neue Berliner Radinfrastruktur eröffnet der Generation von morgen neue Perspektiven, das Fahrrad von klein auf als Verkehrsmittel zu nutzen. Die Initiative Volksentscheid Fahrrad hat fast von Beginn an für diese Form der Radwege gekämpft. Lange vor allen anderen Initiativen waren wir uns einig: Die Mobilität der Zukunft lässt sich nur so sicher, bequem und nachhaltig gestalten.

Ein weiterer Punkt ist, dass das Thema Fahrradparken endlich erhöhte Aufmerksamkeit bekommt. Es ist egal, ob Menschen mit einem teuren oder billigen Fahrrad unterwegs sind: Wer aufs Fahrrad angewiesen ist, für den bedeutet der Verlust des Gefährts einen Verlust an Lebensqualität, an Freiheit und eine massive Einschränkung der Mobilität. Im Gesetzentwurf sind 100.000 neue Abstellplätze bis 2025 vorgesehen. Nach unserer Meinung ist das nicht ausreichend –  unserer Auffassung nach benötigen wir mindestens 200.000. Dennoch hat auch hier ein Umdenken eingesetzt, erste Grundvoraussetzungen werden geschaffen und – davon sind wir überzeugt – der steigende Bedarf wird künftig auch über die Zahl von 100.000 hinaus befriedigt werden.

Ein dritter inhaltlicher Punkt sei hier noch am Rande erwähnt: das konsistente Radverkehrsnetz. Radverkehr wird künftig nicht mehr allein in bezirklichen Routen gedacht, sondern über die gesamte Stadt wird ein Netz aus Radverkehrsanlagen gelegt: Radschnellverbindungen und Vorrangrouten zur Zurücklegung längerer Strecken mit hohen Reisegeschwindigkeiten, die Einbeziehung aller Hauptstraßen und die Verästelung mit Straßen, die dem Fahrradverkehr gewidmet sind,  in die Wohngebiete. All das noch aufgepeppt durch die Öffnung von Einbahnstraßen und Sackgassen. Der Radverkehr wird nicht nur sicherer, sondern auch – und das ist zentral für seine Attraktivität als Alternative zum Auto oder dem ÖPNV – schneller und bequemer.

Es ließen sich noch viele weitere Details herausgreifen, die den Zielen des Volksentscheid Fahrrad nahekommen, so z.B. dass die Verkehrssicherheit zentral wird und das Ende der stillschweigenden Akzeptanz von im Straßenverkehr Getöteten und Schwerverletzten ein Ende haben wird. Der Schutz von Leben und Gesundheit vor den unmittelbaren Risiken des Straßenverkehrs wird zur Leitlinie der gesamten Planung.

Der Volksentscheid Fahrrad ist vor zwei Jahren mit der Forderung nach einem Radgesetz gestartet. Seitdem haben wir nicht locker gelassen. In tausenden Stunden ehrenamtlicher Arbeit wurden Unterschriften gesammelt, Aktionen durchgeführt und die gerechte Verteilung von Verkehrsflächen zum Thema gemacht. Das Radgesetz, das wir 2016 geschrieben haben, hat Einzug in ein Verkehrswendegesetz gehalten, das es ohne uns nie gegeben hätte. Am 12. Dezember 2017 hat sich der Berliner Senat in seiner Gesamtheit hinter dieses Gesetz gestellt.

In Berlin wird das Mobilitätsgesetz bald verabschiedet. Bis dahin werden wir den vorliegenden Entwurf weiter gründlich prüfen und verhindern, dass er im parlamentarischen Verfahren verwässert wird. Aber mit einem Gesetz ist in Berlin noch kein Radweg gebaut. Changing Cities e.V., der Trägerverein des Volksentscheids unterstützt in den Berliner Bezirken Initiativen und Netzwerke für Fahrradfreundlichkeit, die nötigenfalls mit entsprechendem Druck für die Umsetzung Sorge tragen werden. Jetzt geht es darum, aus den Worten des Gesetzes echte Radwege zu machen.

Der Volksentscheid Fahrrad hat in Berlin bewiesen, dass die Gesellschaft Verkehrspolitik mitgestalten kann, dass diese mehr ist als nur die bloße Verwaltung eines unveränderbaren Sachzwanges. Der Volksentscheid Fahrrad hat den verkehrspolitisch Aktiven auch in anderen Städten Mut gemacht, dass engagierte Bürger*innen in der Lage sind, die Verkehrspolitik einer Stadt zu beeinflussen und zu drehen. Wir werden in den kommenden Jahren viele Radentscheide in größeren und kleineren Städten erleben. Die Mobilitätswende in Deutschland wird von den Bürger*innen durchgesetzt werden. Dabei wird Changing Cities e.V. nach Kräften unterstützen.


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