Hirn statt Helm! Senatskanzlei fordert radverkehrsschädliche Maßnahmen und beschädigt die Glaubwürdigkeit der Koalition

Von | 5. Januar 2018

Berlin, 5. Januar 2018. Wie heute bekannt wurde, fordert die SPD-geführte Berliner Senatskanzlei eine Bundesratsinitiative zur Einführung einer Helmpflicht für Kinder und höhere Strafen für Radfahrende bei Missachtung der in Berlin seltenen Radwegebenutzungspflicht. Nach Ansicht der Initiative Volksentscheid Fahrrad schaden diese Vorschläge dem erklärten politischen Ziel der gesamten Koalition, mit dem Mobilitätsgesetz die Verkehrswende in Berlin einzuläuten.

Der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, begründet die Maßnahmen mit der Erhöhung der Verkehrssicherheit für Radfahrende. Er setzt somit auf die altbekannte Strategie der Symptombekämpfung anstelle echter Maßnahmen zur Verhinderung massiver Unfallfolgen.

Die Einführung einer generellen Helmpflicht für Radfahrende wurde in den vergangenen Jahren insbesondere von konservativer und rechtspopulistischer Seite immer wieder in die öffentliche Debatte eingeführt. Umfangreiche Studien belegen jedoch, dass diese zu einer Reduktion der Fahrradnutzung führen kann und somit dem erklärten politischen Ziel der Regierungskoalition entgegen steht.

„Diese Vorschläge haben mit Verkehrssicherheit rein gar nichts zu tun. Wenn die Senatskanzlei wirklich die Verkehrssicherheit von Radfahrenden steigern will, dann muss sie eine Bundesratsinitiative zur sofortigen verpflichtenden Einführung von Abbiegeassistenten und bodentiefen Seitenscheiben für Lastwagen fordern. Damit hätte in Berlin 2017 der Tod von fünf Radfahrer*innen verhindert werden können“, so Denis Petri vom Volksentscheid Fahrrad.

Eine Verringerung der Unfallzahlen und die Steigerung der Verkehrssicherheit bei Kindern lässt sich durch die im Mobilitätsgesetz vorgesehenen Maßnahmen wie vom Autoverkehr getrennte Radwege außerhalb des Türöffnungsbereichs von Autos und Herstellung von Sichtbeziehungen an Kreuzungen und Übergängen erreichen. Trotz erster bekannt gewordener Planungen hierfür sind 2017 nur gefährliche sogenannte Schutzstreifen wie in der Hannah-Ahrendt-Straße oder nicht gegen Zuparken geschützte Radwege wie an der Gitschiner Straße errichtet worden. Der Initiative Volksentscheid Fahrrad ist hingegen kein Unfall bekannt, bei dem ein Verstoß gegen die in Berlin seltene Benutzungspflicht ausschlaggebend gewesen wäre.

„Die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters und ehemaligen Verkehrssenators Michael Müller zeigt mit ihrem Ansinnen, dass es ihr nicht um die Reduzierung der Unfallzahlen und die Steigerung des Radverkehrs geht. Offenbar wurde das zentrale verkehrspolitische Anliegen, auf das sich SPD, LINKE und Grüne in ihrer Koalitionsvereinbarung verständigt haben, hier noch immer nicht verstanden“, so Yvonne Hagenbach vom Volksentscheid Fahrrad.

„Wir gehen davon aus, dass sowohl die Senatorin als auch die Koalitionsfraktionen dem kontraproduktiven Ansinnen von Böhning intern eine Absage erteilen. Wir brauchen eine sachlich begründete Bundesratsinitiative zur Verringerung der Unfallzahlen von Radfahrenden, die rasche Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes vor Ostern, konkrete Anstrengungen beim Bau sicherer Infrastruktur in Berlin und ein klares Bekenntnis von Michael Müller zum Mobilitätsgesetz statt unsinniger und kleinlicher Spielchen ohne Bezug zur Verkehrssicherheit“, fordert Peter Feldkamp vom Volksentscheid Fahrrad.

Die Senatorin Regine Günther reagierte öffentlich nur verhalten und ohne inhaltliche Positionierung auf die Veröffentlichung der Vorschläge.

 

Weiterführende Links:

Schreiben des Chefs der Senatskanzlei Björn Böhning an SenInn und SenUVK: https://clevere-staedte.de/files/tao/img/dokumente/171219%20Senatskanzelei%20zu%20Mobilitätsgesetz.pdf

Studie des Verkehrsministeriums von Baden-Württemberg zu Fahrradhelmen: https://vm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mvi/intern/Dateien/PDF/170309_Anlage_2_Studie_Sicherheitspotentiale_Fahrradhelme_Langfassung.pdf

Pressemitteilung von Changing Cities e.V. und Volksentscheid Fahrrad zur Einrichtung eines Schutzstreifens an der Hannah-Ahrendt-Straße: https://changing-cities.org/presse/artikel/demonstration-gegen-nicht-radweg-in-mitte-volksentscheid-fahrrad-und-netzwerk-fahrradfreundliche-mitte-protestieren-gegen-neue-i.html

Tweet von Senatorin Regine Günther zum Thema:
https://twitter.com/RegineGuenther/status/949245529208315905

Radgesetz der Initiative, Referentenentwurf und Stellungnahme zum Mobilitätsgesetz von Changing Cities e.V.: https://volksentscheid-fahrrad.de/de/gesetz/

Diese Pressemitteilung im Online-Bereich: https://changing-cities.org/presse.html

Informationen zum Volksentscheid Fahrrad: https://volksentscheid-fahrrad.de

Informationen zu Changing Cities e.V.: https://changing-cities.org

Bilder zur kostenlosen Nutzung für die Presseberichterstattung: https://www.picdrop.de/volksentscheidfahrrad/presse

 

Ansprechpartner für die Presse im Team Changing Cities e.V./Volksentscheid Fahrrad

Denis Petri, 0176 577 225 32, denis.petri@changing-cities.org

Peter Feldkamp, 0176 234 570 14, peter.feldkamp@changing-cities.org

 

Über Changing Cities e.V.: Changing Cities e.V. ist am 23. Mai 2017 aus Netzwerk Lebenswerte Stadt e.V. umbenannt worden. Das bislang größte Projekt des Vereins ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürgerinitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.

Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Viele Verbände, Unternehmen und Wissenschaftler*innen unterstützten das Anliegen, das Radverkehrsgesetz (RadG) schnell in Kraft zu setzen. Ziel ist, dass wir Berlinerinnen und Berliner sicher und entspannt radfahren können; dafür hat die Initiative das Berliner Radverkehrsgesetz (RadG) erarbeitet. Nur mit dem RadG kann der Senat dauerhaft verpflichtet werden, schnell und aktiv eine gute Radinfrastruktur zu schaffen. Der 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benennt konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad ist Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition hat zugesagt, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen, ein Mobilitätsgesetz auf Basis des RadGesetzes bis Frühjahr 2017 in Kraft zu setzen und ab 2018 jährlich mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege zu investieren. Über 100 aktive Mitstreiter*innen organisieren sich selbst durch Online-Projekttools und durch schnelle, handlungsorientierte Entscheidungsfindung.


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